beitrag von matze zum 10. nietzsche-kursabend
vorweg. die Interpretation von Hans Heinz Holz ist marxistisch. In einigem finde ich sie ergiebig.
Aber sie legt die Vergleichsfolie über die Analysen und Theorien von Marx an Nietsche an. Das finde ich fragwürdig und auch - in der anderen Perspektive - falsch.
Klar scheint lediglich - bei Nietsche UND bei Marx- zu sein, daß es fundamentale Veränderungen zu ihrer Zeit gibt.
Warum diese (bei beiden) Veränderungen als Ansätze für: - und auch in unseren Debatten - als Verfall, Dekadenz, Nihilismus verstanden werden, verstehe ich erst einmal weiterhin nicht.
BEIDE Analyse-Ansätze scheinen mir ein "Untergangs-Szenario" vorzugaukeln, daß über totale Krise zur Läuterung führt. Warum dieses Bild überhaupt? Warum wird "ES" immer schlimmer? Warum treiben wir auf die Katasthrophen ... nur so zu?
Für mich ist dieses Bild - und sein läuterndes Versprechen - fast nur "literarisches Gruseln" oder Appell zur "Umkehr". SO kann es nicht weitergehen!!! Und jeder hat dann so seine Beispiele IN solchen Bildern: WARUM?
Das es enorm unsicher machende Problem-Konstellationen heute GIBT - oder man sie nur so konstruiert? - bestreite ich gar nicht. Das die "Dinge" IRGENTWIE alle mit Allem ... auch zusammenhängen ... bestreite ich auch nicht generell. Mein Eindruck von unseren Debatten (Heidecker/Nietzsche ... ) ist aber, zumal mit "linker Verzahnung", daß Du/ihr? am GANZEN festhalten wollt. Und von diesem ominösen "Weltganzen" aus auch an die Textstellen und Autoren rangeht.
"Gott ist tot" ist für mich erst einmal NUR der Zerfall einer behaupteten GANZEN Ordnung. Es mag sie denkend gegeben haben. Und diese kontruierte EINHEITLICHKEIT, in der man "Alles an seinen Platz" - zumal eindeutig und sinngestiftet - zuordnen konnte/wollte, "zerfällt". Also nicht die "Welt" sondern die Großtheorien als Religionen stellen sich als nicht "letztbegründbar" heraus. Die "Natur" setzt auch keinen SINN mehr.
Aber ganz "ohne Sinn" scheint nichts zu gehen im menschlichen Selbstverständnis. Und es wird auch kein Planen und Denken und Handeln geben können, daß sich nicht "irgentwie" begündet. Aber eben auf nicht gesichertem Grund, und nicht herleitbar "aus Gott" oder "Natur" oder "vorfindbarem Sinn", der dann nur noch RICHTIG gefunden werden müßte.
Das ist schon ein enormes "Zusammenkrachen" ALLER Goßtheorien . Und hinterläßt ziemliche Hilf- und Ratlosigkeit. Auch bei mir.
Der luhmannsche Denk- und Analyse-Ansatz ist ja dann auch ziemlich grausam: Wir können nicht genau VORHER wissen, welche Folgen was hat. Wir können es nur vorsichtig ausprobieren - in möglichst schnell korrigierbaren Schritten!!!
... und dann werden wir weitersehen ... wie wir mit den sich bestätigenden Risiken NUN anders umgehen oder Entwicklungen dann doch lieber - aber jetzt erst - sein lassen.
Gruß vom Matze
Aber sie legt die Vergleichsfolie über die Analysen und Theorien von Marx an Nietsche an. Das finde ich fragwürdig und auch - in der anderen Perspektive - falsch.
Klar scheint lediglich - bei Nietsche UND bei Marx- zu sein, daß es fundamentale Veränderungen zu ihrer Zeit gibt.
Warum diese (bei beiden) Veränderungen als Ansätze für: - und auch in unseren Debatten - als Verfall, Dekadenz, Nihilismus verstanden werden, verstehe ich erst einmal weiterhin nicht.
BEIDE Analyse-Ansätze scheinen mir ein "Untergangs-Szenario" vorzugaukeln, daß über totale Krise zur Läuterung führt. Warum dieses Bild überhaupt? Warum wird "ES" immer schlimmer? Warum treiben wir auf die Katasthrophen ... nur so zu?
Für mich ist dieses Bild - und sein läuterndes Versprechen - fast nur "literarisches Gruseln" oder Appell zur "Umkehr". SO kann es nicht weitergehen!!! Und jeder hat dann so seine Beispiele IN solchen Bildern: WARUM?
Das es enorm unsicher machende Problem-Konstellationen heute GIBT - oder man sie nur so konstruiert? - bestreite ich gar nicht. Das die "Dinge" IRGENTWIE alle mit Allem ... auch zusammenhängen ... bestreite ich auch nicht generell. Mein Eindruck von unseren Debatten (Heidecker/Nietzsche ... ) ist aber, zumal mit "linker Verzahnung", daß Du/ihr? am GANZEN festhalten wollt. Und von diesem ominösen "Weltganzen" aus auch an die Textstellen und Autoren rangeht.
"Gott ist tot" ist für mich erst einmal NUR der Zerfall einer behaupteten GANZEN Ordnung. Es mag sie denkend gegeben haben. Und diese kontruierte EINHEITLICHKEIT, in der man "Alles an seinen Platz" - zumal eindeutig und sinngestiftet - zuordnen konnte/wollte, "zerfällt". Also nicht die "Welt" sondern die Großtheorien als Religionen stellen sich als nicht "letztbegründbar" heraus. Die "Natur" setzt auch keinen SINN mehr.
Aber ganz "ohne Sinn" scheint nichts zu gehen im menschlichen Selbstverständnis. Und es wird auch kein Planen und Denken und Handeln geben können, daß sich nicht "irgentwie" begündet. Aber eben auf nicht gesichertem Grund, und nicht herleitbar "aus Gott" oder "Natur" oder "vorfindbarem Sinn", der dann nur noch RICHTIG gefunden werden müßte.
Das ist schon ein enormes "Zusammenkrachen" ALLER Goßtheorien . Und hinterläßt ziemliche Hilf- und Ratlosigkeit. Auch bei mir.
Der luhmannsche Denk- und Analyse-Ansatz ist ja dann auch ziemlich grausam: Wir können nicht genau VORHER wissen, welche Folgen was hat. Wir können es nur vorsichtig ausprobieren - in möglichst schnell korrigierbaren Schritten!!!
... und dann werden wir weitersehen ... wie wir mit den sich bestätigenden Risiken NUN anders umgehen oder Entwicklungen dann doch lieber - aber jetzt erst - sein lassen.
Gruß vom Matze
nägeli - 21. Mai, 16:34
Verfall, Nihilismus?
Nihilismus haben wir in etwa definiert als Verschwinden der Werte und eines "Sinngeschehens", das sich einmal (noch bei Hegel) mit der faktischen Geschichte verbinden ließ.
Diese Diagnose haben wir m.o.w. alle akzeptiert. UND wir haben gesagt (Denis): Wie merkwürdig, daß wir nicht verzweifelt sind. Müßten wir nicht verzweifelt sein - in unserer Orientierungslosigkeit. Nein, sind wir nicht. DAS eben könnte man als KATASTROPHE bezeichnen, wenn wir nicht auch vermuten könnten, daß wir die Nachricht über Gottes Tod eben doch noch nicht empfangen haben.
Über Heideggers Seinsvergessenheit ließe sich vielleicht so denken, daß wir das Fürchterliche unserer Lage wissen und ebenso nicht wissen. Wüßten wir es im strikten Sinne, dann könnte uns ja vielleicht geholfen werden. Aber wir wissen es nicht. Und wir können zugleich doch auch nicht sagen, daß auch nur irgendetwas in dieser Welt und mit uns gut ist. Es ist nicht gut. Nichts ist gut. Das wissen wir. Aber das ist ein besonderes Wissen. Kein positives Wissen vom Verlust von diesem und jenem, so daß wir wüßten, was zu tun ist.
Unter "Kehre" haben wir verstanden, daß wir uns in unserem Denken vom Dasein/Individuum weg und hin zum Sein wenden. Und das heißt - für unser Thema - von unserem je eigenen Tod weg hin zu diesem Entzug des Seins.
Was du, Matze, anmahnst, ein faktisches Unglücklichsein als Nachweis vielleicht für unser Elend, ein Leiden an diesem und jenem, kann eben hier nicht sein. "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." So hat Adorno meiner Ansicht nach das gleiche gesagt. Es gibt auch kein richtiges Leiden. Heißt: jedes Leiden und Entbehren und Sehnen ist immer auch unwahr. Und dies ist allerdings eine WAHRHEIT. Und darum haben wir die KUNST, um an der Wahrheit - dieser Wahrheit der Unwahrheit - nicht zugrunde zu gehen. Oder das ist die Kunst selbst: die Wahrheit als Unwahrheit.